
Anfang November 2021 wurde erstmals die Corona-Variante B.1.1.529 in Südafrika nachgewiesen. Das Charité-Forscherteam weist jedoch nach, dass Omikron-Vorstufen schon viel früher in Afrika existierten.
Dem ursprünglichen Coronavirus folgten Alpha, Beta, Gamma und Delta als hoch übertragbare Varianten. Alle paar Monate tauchte eine neue Variante auf, von denen einige bald dominant wurden. Ende 2021 erschien Omikron – und blieb.
Laut einer im Fachblatt Science veröffentlichten Studie der Charité Berlin waren Omikron-Vorläufer bereits lange vor der ersten Entdeckung im November 2021 auf dem afrikanischen Kontinent vorhanden. Entgegen weit verbreiteter Hypothesen über ihren Ursprung entwickelte sich die Variante allmählich. über mehrere Monate in verschiedenen afrikanischen Ländern. Diese Entwicklung wurde mangels Analyse einfach übersehen.
Am 26. November stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die am 9. November 2021 erstmals in Südafrika nachgewiesene Corona-Variante B.1.1.529 als „besorgniserregend“ ein. Trotz massiver Reisebeschränkungen verbreitete sich omicron weltweit rasant und verursachte extrem viele Infektionen. Bis Ende Dezember 2021 hatte die Variante bereits das zuvor dominante Delta-Virus verdrängt. Omicron-Subtypen dominieren bis heute weltweit den Infektionsprozess und erschüttern derzeit Chinas Zero-Covid-Strategie.
Hypothese: Auftreten bei HIV-Patienten
Im Vergleich zum ursprünglichen Sars-CoV-2 aus Wuhan hatte Omicron allein im Peak Light eine ungewöhnliche Menge von etwa 30 Aminosäureänderungen. Die große Anzahl genetischer Veränderungen veranlasste Experten zu der Vermutung, dass sich die Variante bei einer Person mit HIV oder einer anderen Form von Immunschwäche entwickelt haben könnte. Eine andere Hypothese geht davon aus, dass Omikrons sich in Tieren entwickelt haben und dann auf den Menschen zurückgesprungen sind.
Die Idee hinter der Immunschwäche-Hypothese: Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem könnte sich Sars-CoV-2 über mehrere Monate Stück für Stück vermehrt und mutiert haben, ohne jemals vom Immunsystem abgeschaltet zu werden. Viele HIV-Patienten in Afrika werden nicht ausreichend behandelt, weshalb ihr Immunsystem erheblich geschwächt ist, erklärten Experten. „Viele Mutationen sprechen für die Entwicklung von HIV-Patienten“, sagte damals SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.
Viren mit omicron-spezifischen Mutationen bereits im Sommer 2021
Für die Studie „Science“ untersuchten Forschende der Charité um Jan Felix Drexler zusammen mit afrikanischen Mitarbeitern Corona-Proben, die vor und nach dem Omicron-Fund in Südafrika gesammelt wurden. Mehr als 13.000 Proben aus 22 afrikanischen Ländern wurden einem speziellen PCR-Test unterzogen. Das Forscherteam fand bei 25 Personen aus sechs Ländern, die bereits im August und September 2021, aber noch vor dem Erstnachweis in Südafrika, mit Covid-19 infiziert waren, Viren mit Omikron-spezifischen Mutationen.
Außerdem wurde das virale Genom in etwa 670 Proben entschlüsselt. Es wurden mehrere Viren gefunden, die Ähnlichkeiten zu omicron aufwiesen, aber nicht identisch waren. „Unsere Daten zeigen, dass Omicrons verschiedene Vorfahren hatten, die sich vermischten und in Afrika gleichzeitig und über Monate zirkulierten“, erklärt Drexler. „Dies zeigt die allmähliche Evolution der Omicron-Variante von BA.1, in deren Verlauf sich das Virus zunehmend an die bestehende Immunität des Menschen angepasst hat.“
Von Süd- über Nordafrika bis zum Rest der Welt
Die Forscher schließen aus den Daten auch, dass Omikrons zunächst das Infektionsgeschehen in Südafrika dominierten und sich dann innerhalb weniger Wochen von Süden nach Norden auf dem afrikanischen Kontinent ausbreiteten.
„Das plötzliche Auftauchen des Omikrons ist also nicht auf eine Übertragung aus dem Tierreich oder die Entwicklung eines immungeschwächten Menschen zurückzuführen, auch wenn es zur Entwicklung des Virus beigetragen haben könnte“, folgert Drexler. „Dass uns Omikron überrascht hat, liegt vielmehr an einem diagnostischen blinden Fleck in weiten Teilen Afrikas, wo wohl nur ein Bruchteil der Sars-CoV-2-Infektionen erfasst werden.“ (dpa)