

57 Jahre lang führte Carl, bekannt als Charlie, Binder sein gleichnamiges Sport- und Haushaltswarengeschäft in Schöneich. Anfang des Jahres macht der Sportliebhaber, der sich sogar mit den US-Astronauten angefreundet hat, endgültig zu.
Mittagspause bei Sport Binder in Schöneich. Obwohl der Laden von Carl alias Charlie Binder zwei Stunden lang geschlossen ist, nähern sich Kunden immer wieder der verschlossenen Glastür und stellen immer wieder die gleiche Frage. braucht eine Zitrone, ein anderer fragt nach einer Küchenwaage. Ein anderer Kunde sucht kurz vor Weihnachten nach Weingläsern mit Henkeln. Ein anderer braucht neue Turnschuhe, muss den Besuch aber auf die Mittagspause verschieben.
Der Sport-, Wohn- und Baumarkt von Charly Binder in der Schönaicher Wettgasse schließt offenbar trotzdem oder gerade deswegen zum 31.12. und bleibt eine beliebte Anlaufstelle für Kunden aus der Region, wie auch die vielfältigen Anfragen belegen. Der Laden, den Großvater Carl 1906 an gleicher Stelle gründete und Vater Carl übernahm, ist ein Renner. Ob Ski, Töpfe, Werkzeug, Messer, Tennisschläger oder einfach nur die richtigen Laufschuhe für Ihren nächsten Marathon, bei Charly Binder bekommen Sie alles aus einer Hand. Zumindest bis Ende des Jahres.
Aus vielen Kunden wurden sogar Freunde
„Natürlich ist es ein bisschen traurig, wenn Sie ein Geschäft schließen, an dem Sie mit Ihren engagierten Mitarbeitern so viele Jahrzehnte lang mit so viel Leidenschaft und Hingabe gearbeitet haben. Aber ich bin auch dankbar, dass die Kunden uns immer unterstützt haben, dass ich wusste, dass ich verlässliche Mitarbeiter an meiner Seite habe und viele schöne Begegnungen hatte“, blickt die 74-Jährige auf die 57 Jahre zurück. So lange ist Charlie Binder schon Teil des Wetgase Stores, der in den nächsten Jahren einem Neubau weichen wird. „Ich bin 74 Jahre alt, irgendwann musste es soweit sein. Angesichts der Aussicht auf Abriss von Häusern hätte der Abschied schneller sein können, aber es ist schwer zu sagen“, sagte Binder, der sich im Laufe der Jahre auch mit Kunden angefreundet hat.
Die Geschichte der Einzelhandelsfamilie Binder begann vor 116 Jahren in Wetgas. Damals lag der Fokus noch auf Kunsthandwerk und Haushaltswaren. Über viele Jahrzehnte hat Binder das Sortiment um Mitarbeiter wie Johannes Binder erweitert, die zusammen jahrzehntelang im Sport- und Haushaltswarengeschäft tätig sind. „Meine Leidenschaft ist der Sport. Aber das war eigentlich das Letzte. Aber auch über Haushaltsprodukte, Werkzeuge und andere Produkte habe ich mir über lange Zeit Wissen angeeignet, um kompetent beraten zu können“, erklärt der gelernte Kaufmann. Obwohl Internethandel und große Ketten bereits auf viele kleine Einzelhandelsgeschäfte aufzogen, konnte sich Sport Binder in Schöneich auch durch die Pandemie behaupten.
Auch ohne Online-Handel ein funktionierendes Geschäftsmodell
„So lange haben wir ohne Online-Angebote und Handel auskommen können. Ich habe nicht viele digitale Verbindungen. Was mir in meinen fast 60 Jahren hier am meisten Spaß gemacht hat, war der direkte Kundenkontakt, das Teilen, die Beratung. Wenn jemand keinen passenden Laufschuh finden konnte, wollte ich nichts verkaufen, was nicht wirklich passte. Das würde meiner Überzeugung widersprechen“, erklärt Binder. Nicht umsonst waren es vor allem Sportartikel, die den begeisterten Skifahrer und Marathonläufer interessierten und die er gekonnt und begeistert an Männer bzw. Frauen vermarktete.
„Meine Leidenschaft fürs Skifahren hat mir ganz besondere Gesellschaft gegeben“, erinnert sich Charlie Binder an einen Mann und zeigt auf ein altes Foto. „Es war der berühmte amerikanische Astronaut James Irwin. Ich war regelmäßig zum Skifahren in den Alpen und war auch geschäftlich unterwegs. Nachdem ich über Kontakte gebeten wurde, mit James Irwin Ski zu fahren, traf ich ihn regelmäßig. 1982 waren wir zum Beispiel gemeinsam auf den Pisten von Kitzbühel. Daraus ist eine wahre Freundschaft entstanden, die sich intensiv bis zu Irwins Tod entwickelt hat.” 1991 starb Irwin, einer von nur zwölf Menschen auf der Welt, die jemals einen Fuß auf den Mond gesetzt haben, an einem Herzinfarkt. “Es war sehr traurig. Er lud mich ein, seine Heimat Colorado zu besuchen, um zusammen Ski zu fahren. Aber das konnte ich nie“, sagt Binder.
Klare Pläne für das nächste Mal
Auch wenn der 74-Jährige ein leichtes Bedauern darüber ausdrückt, dass er diese Erfahrung nicht gemacht hat oder als letzter in der Familie ein Traditionsgeschäft geführt hat, ist der Schönicher-Mann keineswegs pessimistisch oder negativ. „Ein weiser Theologe, der mein Freund war, sagte einmal: “Schau nur so weit zurück, wie es dich vorwärts bringen kann.” An diesem Motto habe ich immer festgehalten, weil es positiv und hoffnungsvoll ist“, betont Binder, der auch fast 30 Jahre Mitglied des Gemeinderats Schönaich war. „Der Glaube war mir immer wichtig, besonders nach dem Tod meiner Mutter 1975 und auch als ich Menschen wie James Irwin begegnete, der nach seinem Mondspaziergang zum Christentum fand“, sagt Binder.
Da Charlie Binder wahrscheinlich auch solche Schätze ergattern kann, hat er keine allzu großen Angst vor dem Verkauf und der Schließung des Ladens. „Ich weiß, was ich als nächstes tun werde, und ich freue mich darauf. Ich werde im Winter Skikurse und im Sommer Bergtouren in einem Gemeindezentrum in Schladming, Österreich, geben. Ich gehe seit 20 Jahren dorthin und fühle mich gut.” Auch dort wird Charlie Binder wieder nah bei den Menschen sein, so wie er seit fast 60 Jahren der Ansprechpartner für Sport- und Haushaltswaren in Schöneich ist.