
Was bedeutet das also für unsere derzeitigen Impfstoffe? Rosemary Boyton besteht darauf, dass sie „brillant“ darin sind, sich gegen schwierige Strecken zu verteidigen. Aber jetzt, da die meisten Menschen bereits über einen Immunschutz verfügen, sollten sich Wissenschaftler darauf konzentrieren, Impfstoffe zu finden, die die Prägung überwinden können. Nur so kann die Ausbreitung des Virus gestoppt und nicht nur der Krankheitsverlauf verlangsamt werden. „Jetzt sind wir in einer etwas anderen Situation und müssen die Dinge anders angehen“, sagt er.
Bob Seder stimmt zu, dass Impfstoffe modifiziert werden müssen, um Infektionen und Ausbreitung zu verhindern, nicht nur den Tod. Ein möglicher Ansatz wäre seiner Meinung nach die Verwendung von Lebendimpfstoffen, die fünf bis zehn Tage im Körper verbleiben und eine wirksamere Reaktion hervorrufen könnten. Allerdings bergen solche Impfvarianten größere Risiken, insbesondere für gefährdete Personen, da sich auch ein abgeschwächtes Virus im Körper vermehren kann.
Sind nasale Impfstoffe eine bessere Alternative?
Bob Seder untersucht stattdessen nasale Impfstoffe, die seiner Meinung nach gegen die Varianten wirksamer sein könnten als injizierbare Impfstoffe. Wenn der Impfstoff direkt in die Nase gesprüht wird, kann er eine Schleimhautimmunität auslösen, eine Immunantwort der Zellen, die die Atemwege und andere Schleimhäute auskleiden. Bei einer natürlichen Infektion sind Schleimhäute die erste Verteidigungslinie. Die Antikörperreaktion ist hier sehr ausgeprägt und soll das weitere Eindringen des Virus in den Körper stoppen.
Obwohl diese Reaktion immer noch durch eine vorherige Exposition geprägt sein kann, kann seine hohe Wirksamkeit einen besseren Schutz bieten und möglicherweise sogar Infektionen und Übertragungen verhindern. Eine in der Zeitschrift Science veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2022 zeigte beispielsweise, dass die durch injizierte Impfstoffe ausgelöste Antikörperantwort die durch die mukosale Immunantwort ausgelöste Antikörperkaskade umgeht. Bei einer Durchbruchinfektion kommt es dort aber immer zu Immunreaktionen.
In Experimenten vergleicht Bob Seder jetzt nasale und injizierte mRNA-Impfstoffe bei Tieren, um zu sehen, ob sie die Immunantwort auf Omicrons verbessern. Bisher liegen nur spärliche und widersprüchliche Daten zu den Wirkungen dieser Impfstoffe beim Menschen vor. In einer klinischen Phase-I-Studie mit einem Nasenspray-Impfstoff, der von Astrazeneca und der University of Oxford entwickelt wurde, zeigte nur eine Minderheit der Teilnehmer eine Antikörperreaktion auf ihren Schleimhäuten. Auch die systemische Abwehrreaktion des Körpers war schwächer als bei der Muskelimpfung.
Auffrischimpfstoff und universeller Corona-Impfstoff
Ein anderer Ansatz wäre die Verwendung von Adjuvantien, Substanzen, die Impfstoffen zugesetzt werden, um die Immunantwort zu verstärken. Es wurde gezeigt, dass Influenza-Impfhilfsstoffe das Imprinting reduzieren. Wie sie sich auf die Erfassung von Covid-19 auswirken, wurde noch nicht untersucht.
Laut Rosemary Boyton ist die optimale Immunantwort robust und breit angelegt – sowohl um die Prägung abzuschwächen als auch um ein breiteres Spektrum von Viren zu bekämpfen. Ein Impfstoff gegen alle Varianten von Sars-CoV-2 – ein sogenannter Pan-Coronavirus-Impfstoff – würde den Körper dazu anregen, verschiedenste Antikörper zu produzieren, die gegen unterschiedliche Sequenzen des Virus gerichtet sind. Ein solcher Impfstoff könnte verhindern, dass das Virus so weit mutiert, dass es dem Immunsystem entgeht. Letztlich könnte dies der Schlüssel zur Eindämmung künftiger Pandemien sein. Entsprechend läuft die Suche nach einem solchen Medikament bereits auf Hochtouren.
Die Prägung wird oft als Problem dargestellt, ist aber ein wichtiger Teil des Immungedächtnisses, der eine blitzschnelle Reaktion auf einen viralen Eindringling ermöglicht, ohne bei Null anfangen zu müssen. „Für mich bedeutet das“, sagt Gabriel Victora, „dass das Immunsystem seine Arbeit ziemlich erfolgreich macht.“