
Überraschend gut erhaltene Spuren unter einer Brandschicht: Archäologen haben in Ephesos die Überreste eines Handels- und Kneipenviertels gefunden, das vermutlich 614/615 n. Chr. durch einen sasanianischen Militärangriff zerstört wurde. Umfangreiche Funde von Haushaltsgegenständen, Münzen und Lebensmitteln bilden eine einzigartige Momentaufnahme des damaligen Lebens. Die Ergebnisse werfen auch Licht auf die mysteriöse Entwicklung der berühmten Stadt in der frühen byzantinischen Zeit, sagen Forscher.
Noch heute zeugen die prächtigen Überreste von der einstigen Bedeutung der antiken Stadt Ephesos. Es hatte sogar eines der Sieben Weltwunder zu bieten: den Tempel der Artemis. Bis in die Spätantike und in byzantinische Zeit war die Stadt ein wichtiges Zentrum im Westen Kleinasiens. Doch erschüttert von Plünderungen, Erdbeben und Pestilenz verlor es zunehmend an Bedeutung. Wie genau die Stadtentwicklung stattfand, ist unklar. Um die einstige Bebauung und Geschichte von Ephesos zu beleuchten, untersuchen österreichische Archäologen seit dem 19. Jahrhundert die Überreste der berühmten Metropole. Nun berichtet ein Team um Sabine Ladstätter von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) von bemerkenswerten Neuentdeckungen.
Auf der Piazza Domitian, einem markanten römischen Platz im Zentrum der Stadt, stießen die Forscher auf die Überreste eines auf älteren spätantiken Gebäuden errichteten Viertels. „Der ursprünglich große römische Platz wurde in der Spätantike von Geschäften und Werkstätten überbaut“, sagt Ladstätter. Die Strukturen lagen unter einer dicken Brandschicht, weshalb sie überraschend gut erhalten waren, berichtet das Team. Bisher wurde ein kleines Gebäude bestehend aus mehreren Geschäftsräumen auf einer Fläche von etwa 170 Quadratmetern enthüllt.
Ein Einblick in die frühbyzantinische Lebenswelt
Einzelne Räume in diesem Block sind bis zu einer Höhe von 3,4 Metern erhalten und teilweise mit Hausrat gefüllt. „Überraschend waren auch der genaue Zeitpunkt der Zerstörung und die daraus resultierenden Folgen für die Stadtgeschichte“, sagt Ladstätter. Der gesamte Gebäudekomplex stand wahrscheinlich bis 614/615 in voller Blüte, wie datierte Münzen belegen. Die Brandschicht markiert dann das Ende, das offenbar plötzlich über ein Viertel brach. Anscheinend wurde fast nichts mitgenommen: Unter den Schichten kam ein reichhaltiges Inventar zum Vorschein. Archäologen fanden Tausende von Tonscherben, Reste verschiedener Nahrungsmittel und mit gesalzener Makrele gefüllte Amphoren. Besonders spektakulär sind die vier passenden Goldmünzen und mehrere Kassen mit über 700 Kupfermünzen.
Die bisher ausgegrabenen Räume wurden von Archäologen als Kochstube, Vorratsraum, Wirtshaus und Werkstatt mit angrenzendem Verkaufsraum identifiziert. Es gab noch ein weiteres Highlight: Das Team stieß auf die Überreste eines Ladens, in dem Lampen und Pilgerand verkauft wurden

enken bot den Gästen die Stadt, die bei der Christianisierung eine wichtige Rolle gespielt hatte. Einzigartig sind etwa 600 kleine Pilgerfläschchen, die hier an Pilger verkauft wurden und um den Hals getragen werden konnten. „Die Funde an der Ausgrabungsstätte von Ephesus sind spektakulär und in ihrer Bedeutung nicht zu überschätzen. Die Auswertung der Funde liefert viele neue Erkenntnisse über Zeitpunkt und Hintergründe der plötzlichen Zerstörung“, sagt Heinz Faßmann von der ÖAW.
Hinweise zur Stadtentwicklung
Wie das Team betont, geben die Funde auch Aufschluss über die Geschichte und Entwicklung der Stadt: „Die archäologischen Funde zeigen uns einen gewaltigen Brand, der plötzlich, dramatisch und bedeutsam gewesen sein muss“, sagt Ladstätter. Wissenschaftler halten ein Erdbeben für unwahrscheinlich. Weil die Wände nicht verschoben und die Böden nicht gekrümmt sind. Forscher fanden jedoch Pfeilspitzen und Rohrköpfe, die von militärischen Konflikten zeugen. Das passe dazu, dass Münzen, die etwa zur gleichen Zeit in der Nachbarstadt Sardes gefunden wurden, ebenfalls Zerstörungen zeigten. Sie wurden bereits mit möglichen Angriffen der persischen Sassaniden im Westen Kleinasiens in Verbindung gebracht. Neue Erkenntnisse stützen nun diese Annahme.
“Obwohl bereits archäologisch beobachtet werden konnte, dass Ephesus im 7. Jahrhundert dramatisch kleiner wurde und der Lebensstandard deutlich sank, waren die Gründe dafür nicht klar.” Auch der Münzumlauf brach stark ein und fiel auf ein deutlich niedrigeres Niveau. als in früheren Jahrhunderten. „Dieser Wendepunkt in der Geschichte der Stadt Ephesos muss wohl mit den Sasanidenkriegen in Verbindung gebracht werden“, sagt Ladstätter.
Quelle: Österreichische Akademie der Wissenschaften